Pol Pot Banditen jetzt vor Gericht

die Angeklagten in Phnom Penh 2009

In Phnom Penh hat am 17. Januar 2009 das Tribunal gegen Verantwortliche der Massenmorde während der Herrschaft der Roten Khmer begonnen. Fünf Vertreter des kommunistischen Regimes sitzen auf der Anklagebank. Pfarrer Burkhard Bartel aus Bangkok hat uns dazu einen ganz persönlichen Beitrag geschrieben.

Liebe Freunde,
mit großer Aufmerksamkeit verfolgen wir den gestern begonnenen Prozess gegen die Mörder des Pol Pot Regimes in Kambodscha. 1,8 Millionen Menschen fielen der Terrorherrschaft zwischen dem 17. April 1975 und dem 7. Januar 1979 zum Opfer, rund ein Viertel der damaligen Bevölkerung. 30 Jahre später beginnt in der Hauptstadt Phnom Penh der erste Prozess gegen einen der damaligen Kader. Verhandelt wird als erstes der Fall von Kaing Guek Eav, heute 66 Jahre alt, den sie "Genosse Duch" nannten.

Er war der Gefängnisdirektor von Tuol Sleng, was auf Khmer "Hügel der giftigen Bäume" heißt. Der Komplex mit vier dreistöckigen Gebäuden war davor eine Grundschule. Es war Platz für 1.500 Häftlinge. Die Roten Khmer zogen Stacheldraht und elektrische Zäune rund um das Gefängnis und nannten es S-21. "Es ist verboten, während Auspeitschungen oder Elektroschocks zu weinen." Das war Regel Nummer 6 der Lagerordnung in Tuol Sleng.

Als 1979 die vietnamesische Armee in Phnom Penh einrückte und Pol Pots Schreckensherrschaft ein Ende setzte, lebten in Tuol Sleng noch sieben Häftlinge. Rund 14.000 Menschen wurden dort gefoltert. Wer nicht daran starb, wurde auf den "Killing Fields" vor den Toren Phnom Penhs umgebracht. Von ihnen allen gibt es Fotos, Protokolle, Biographien. Alles säuberlich festgehalten von "Genosse Duch" und aufgefunden, als die Vietnamesen das Regime im Januar 1979 stürzten.

Seit fünf Jahren besuche ich regelmäßig unsere Gemeinde in Phnom Penh. Unseren Gottesdienst halten wir in einer kleinen katholischen Kapelle, dem einzigen Kirchengebäude, das in der Pol Pot Zeit nicht zerstört wurde. Nur fünf Priester haben diese Zeit überlebt. Fast alle Mönche, Lehrer, Anwälte, Ärzte, Musiker und Künstler wurden ermordet. Die Hauptstadt Phnom Penh mit damals schon zwei Millionen Einwohnern wurde zur Geisterstadt. Dreißig Jahre sind seither vergangen.

Immer wieder besuchen wir das Foltergefängnis S-21 mitten in der Stadt, auch am 7. Februar waren wir wieder dort. Man wird am Eingang zum Schweigen aufgefordert. Das versteht sich von selbst. Es herrscht Totenstille bei den Besuchern in den Folterzimmern. Man malt sich selbst die schrecklichsten Bilder. Es ist für uns wie ein Gang durch Buchenwald oder Auschwitz.

Besucher sind eingeladen, ihre Gedanken und Gefühle in ausgelegte Bücher einzutragen. Wir blättern einige Seiten zurück und finden Eintragungen in fast allen Sprachen der Welt. Die meisten können wir nicht lesen. Immer wieder Kommentare auf deutsch: Ein 14-jähriges Mädchen schrieb: "In der Schule lernten wir, dass die Menschen nach dem Holocaust in der ganzen Welt versprachen: NIE MEHR WIEDER! Aber hier sehe ich, dass es doch ein immer wieder gibt. Wann werden wir Menschen damit aufhören andere zu quälen?"

Der Nürnberger Prozess in Deutschland war das erste moderne internationale Kriegsgericht. Damals kam es schnell zu Urteilen. Das Khmer-Tribunal steht nach dem Ruanda-, Jugoslawien-, Osttimor- oder Sierra-Leone-Tribunal als jüngstes in seiner Tradition und ist doch etwas Neues: es ist das erste Gericht mit einheimischen kambodschanischen und internationalen Richtern und Staatsanwälten, die Mehrheit der Juristen sind Kambodschaner.

Nach Zusammenbruch des Regimes hielt sich Kaing Guek Eav in einem Dorf in der Provinz Battambang versteckt. Während dieser Zeit findet er zum christlichen Glauben, beichtet seine Vergangenheit und lässt sich taufen. Sein Pastor LaPel weiß zunächst nichts von Kaing Guek Eavs Vergangenheit und bezeugt später eine "180 Grade-Wende" im Leben des ehemaligen Folterexperten. Er würde seine Schuld anerkennen und um Vergebung bitten. In einem Interview mit einem italienischen Reporter sagte er jedoch letztes Jahr: "Es gab Zweifel, aber man hatte keine Wahl; ich habe nur Befehle ausgeführt; nur die oben wussten Bescheid, ich hatte keinen Überblick." Solch bittere Unschuldsbezeugungen kennen wir aus der Nachkriegsgeschichte zur Genüge. Es ist wie schon im Paradies: Schuld sind immer nur die anderen, die da oben, Hitler, Stalin oder eben Pol Pot. Dabei saß doch Duch ganz oben. Er baute eines der fürchterlichsten Gefängnisse des 20. Jahrhunderts auf und leitete alle Aktionen bis zum bitteren Ende.

Ich komme wieder neu ins Nachdenken über Schuld und Schuldbekenntnisse und Vergebung und mein Bild und unsere christliche Rede von einem gnädigen Gott. Und was bedeutet das für einen Massenmörder? Der französische Anwalt François Roux sagte, der seit acht Jahren in Untersuchungshaft sitzende Angeklagte habe seine Opfer um Vergebung gebeten. Ein Urteil wird bis September erwartet. Im Falle eines Schuldspruches dürfte Duch lebenslang inhaftiert bleiben. Pol Pot, der bis 1997 "Bruder Nummer 1" der Roten Khmer genannt wurde, nahm sich am 15. Mai 1998 im Norden Kambodschas das Leben, nachdem General Ta Mok, der wegen seiner Brutalität selbst als "Schlächter" bezeichnet wurde, den USA seine Auslieferung angeboten hatte.

Die Kambodschaner brauchen diese Prozesse. Viele warten auf Reinigung, auf Erlösung und auf ein von dieser fürchterlichen Vergangenheit befreites Leben. Die Welt braucht diese Prozesse. Wir werden den Fortgang aufmerksam verfolgen. Jesus sagte in seiner Regierungserklärung nach Matthäus 5: "Ich sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte." Burkhard Bartel

Evangelische Gemeinde deutscher Sprache in Thailand
209 Soi Pridi Phanomyong 9 (Sukhumvit 71)
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Tel: +66 2391 3631 www.die-bruecke.net

Tuol Sleng Foltergefängnis 2009


Pol Pot Gefängnis Tuol Sleng 2009


die Opfer der Roten Khmer 2009


Erinnert an Auschwitz 2009


Regeln der Unmenschlichkeit 2009


Zugang zu den Folterzellen 2009


die Ofer wurden nummeriert 2009


die Opfer der Roten Khmer 2009


Erinnerung von Überlebenden 2009


berüchtigtes Folterzimmer 2009


einzig verbliebende Kapelle in Phom Penh 2009

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