Richtig gut: Die Altenpflege in Thailand

Nachdem wir in der Ausgabe zuvor den Gesundheitstourismus nach Thailand beschrieben haben, wollen wir uns im 2. Teil um die Altenpflege in Thailand kümmern, ebenfalls ein momentan höchst aktuelles Thema, das in Zukunft vielleicht für viele von uns Älteren sehr bedeutend werden könnte!

Nach einer Studie der Alzheimer Disease International (ADI) sind heute schon 35 Millionen Menschen in der Welt an Alzheimer erkrankt. Alle 20 Jahre verdoppelt sich die Zahl der Demenzpatienten und in Deutschland wird es im Jahr 2030 wahrscheinlich 2 Millionen Menschen mit Demenz geben. Jeder achte Mensch über 65 Jahre, aber schon jeder zweite Mensch über 85 Jahre erkrankt an Demenz. Dies sind Zahlen, die wahrscheinlich uns alle erschrecken. Um was handelt es sich bei diesen Krankheiten? Als Demenz (lateinisch: weg vom Geist) bezeichnet man in der Medizin ein Defizit in kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten. Bei Morbus Alzheimer handelt es sich um eine neurodegenerative Erkrankung. Ähnliche Krankheitszeichen weist der apoplektische Insult oder der zerebrale Insult, volkstümlich als Schlaganfall bezeichnet, auf. Hier handelt es sich um eine plötzliche Erkrankung des Gehirns mit dem Ausfall von Funktionen des Zentralnervensystems durch kritische Störungen der Blutversorgung des Gehirns. Bei diesen drei Erkrankungen tritt bei allen Patienten ein unterschiedlicher Grad von Hilflosigkeit und Hilfebedürftigkeit auf, je nach Schwere der jeweiligen Erkrankung. Hier liegen zumeist schwerste Belastungen bei den Angehörigen des Patienten aber natürlich auch beim Patienten selber vor, Belastungen, von denen sich Nichtbetroffene überhaupt keine Vorstellungen machen können! Oft wird gerade bei den Angehörigen z.B. bei der Pflegestufe III sehr schnell die Grenze der persönlichen Belastung erreicht, der Pflegende kann einfach nicht mehr und setzt seine eigene Gesundheit aufs Spiel.

Thailändisches Betreuungspersonal.

Nun gibt es zwar die Möglichkeit den Patienten in ein Pflegeheim zu geben, aber dies kostet in Deutschland sehr viel Geld. Die Kosten können von den meisten Menschen gar nicht aufgebracht werden, denn eine 24-Stundenpflege eines Schwerstkranken (Alzheimer, Demenz, Schlaganfall) kann in deutschen Pflegeeinrichtungen sehr schnell die Summe von 5.000 - pro Monat erreichen. Trotz eines staatlichen Zuschusses können es sich nur sehr wenige Personen leisten, in ein wirklich gutes Pflegeheim zu gehen, denn diese sind nun einmal extrem teuer. Also erhalten viele nicht so gute Pflegeeinrichtungen dann jene Patienten, die nicht über materielle Reichtümer verfügen. Hier ist jedoch auch oft das Pflegepersonal knapp, man kann sich nicht genug um die zumeist schwerkranken Patienten kümmern. Unruhige Patienten werden mit Psychopharmaka ruhig gestellt, Patienten werden an den Betten fixiert oder sogar körperlich misshandelt. Nun ist hier nicht der Ort, um über die Verhältnisse in deutschen Pflegeheimen zu klagen. Dies wurde und wird bereits von den einschlägigen deutschen Medien eingehend und gut behandelt, aber hier ist sehr wohl der Ort, wo wir eine Alternative aufzeigen können und wollen!

Die Pflege in Thailand

Die Alternative für Schwerkranke besteht ganz einfach darin, daß die Pflegenden bzw. die Angehörigen eines Schwerkranken seit einiger Zeit die Möglichkeit haben, einen Schwerkranken in Thailand durch geschultes Personal pflegen und betreuen zu lassen. Wir wollen an einigen ausgewählten Beispielen einmal untersuchen, ob sich eine Pflege in Thailand lohnt, was eine Pflege in Thailand kostet und welche Vorteile der Patient bzw. die Angehörigen davon haben?

Als wohl momentan, auch durch die Medien bekanntestes Beispiel, habe ich mir einmal Ban Kamlangchay herausgesucht, und ich werde versuchen, an diesem Beispiel die gestellten Fragen abzuhandeln. Jeder Leser kann dann, nach der Lektüre dieses Artikels, selbst entscheiden, ob thailändische Pflege für ihn selbst eine Alternative darstellen könnte, sei es Patient oder als Angehöriger. Diese zugegebenermaßen sehr schwierige Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Wir können niemand diese Entscheidung abnehmen, wir können aber einige Argumentationshilfen bieten.

Ban Kamlangchay wurde im Jahr 2003 von dem Schweizer Sozialarbeiter und Gestalttherapeuten Martin Woodtli gegründet. Woodtli hatte vorab in der AIDS-Hilfe und im Suchtbereich gearbeitet und war in den Jahren 1994-1998 für die Organisation "Medicins sans Frontieres" (Ärzte ohne Grenzen) als Ausbilder und Supervisor im Rahmen eines HIV/ AIDS-Präventions- und Betreuungsprogramms in Chiang Mai stationiert. Er spricht fließend Thai und ist mit der Thailänderin Areewan Woodtli (Nid) verheiratet, die seit dem Jahr 2004 ebenfalls für Ban Kamlangchay tätig ist. Woodtli betreute in der Schweiz zuerst seine an Alzheimer erkrankte Mutter, zog jedoch am 02.12.2004 mit ihr nach Thailand um und gründete dort Ban Kamlangchay. Das Objekt, dessen Name "Ban"=Dorf und "Kamlangchay"=ermutigend oder Begleitung des Herzens bedeutet, liegt in 121/72 Tambon Faham Amphoe Muang Chiang Mai 50.000 etwa 5 Km nördlich des Stadtkerns von Chiang Mai.

Die Pflegeeinrichtung ist eine Heimstatt für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen für Ferien von 2 Wochen bis Monaten Dauer und für Langzeitaufenthalte. Es kann eine reine Tagesbetreuung oder eine 24-Stunden-Betreuung gewährleistet werden. Zwei Zimmer der Wohnanlage sind rollstuhlgängig, d.h. insbesondere für Patienten mit einem Schlaganfall geeignet, die ja sehr oft in Rollstühlen sitzen müssen.

Respekt vor Älteren

Sämtliches Betreuungspersonal hat Kurse zur Betreuung von Schwerkranken absolviert. Für eine 24-Stunden-Betreuung stehen drei Betreuer zur Verfügung, was ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet. Sehr wichtig ist eine frühzeitige Information der Angehörigen des zu Pflegenden über dessen Zustand an die Pflegeeinrichtung, d.h. es muss bekannt sein, welcher Pflege der Kranke bedarf und in welchem Zustand der Kranke sich befindet. Pflegerinnen und Pfleger in Thailand haben ihren Berufskollegen in Deutschland etwas ganz entscheidendes voraus, nämlich den Respekt vor älteren Menschen, d.h. sie wurden seit frühester Jugend zu Respekt vor den älteren Menschen erzogen. Es ist in Thailand ganz üblich, daß die Töchter oder auch die Enkelinnen die Eltern oder auch Großeltern im Alter betreuen und pflegen. Dies gehört zur buddhistischen Tradition in einem Land, wo es kaum Altersheime gibt, in denen die uns im Alter etwa unliebsamen Eltern abgeschoben werden, einfach nur deshalb, weil Alte in unserer gnadenlosen Gesellschaft vielen beim eigenen Leben stören, nicht bedenkend, daß auch der so Handelnde selbst einmal alt wird und der Hilfe bedarf!

In Thailand ist Hilfe für Ältere selbstverständlich, Hilfe für Kranke ist eine gute Tat, mit der man sich Verdienste erwirbt und Respekt vor älteren Menschen gehört in Thailand zur Lebenskultur. In unserer kaltherzigen Gesellschaft hingegen regiert der Jugendlichkeitswahn, hier stören Ältere nur, Leistung wird verlangt, aber Ältere und Kranke können ja keine Leistung mehr bringen und sind deshalb nicht mehr willkommen.

Ganz anders dagegen Thailand, hier werden auch Demenzkranke oder Menschen mit anderen schweren Krankheiten wie selbstverständlich in die Gesellschaft eingegliedert oder von der Gesellschaft akzeptiert. Niemand lacht hier über das manchmal merkwürdige Verhalten von an Alzheimer erkrankten Personen oder schliesst sie aus. Sie sind ein integraler Bestandteil der Gesellschaft, und viele Buddhisten glauben sogar, daß gerade diese Menschen ein sehr viel engeres Verhältnis zur Spiritualität haben, da sie Dinge mit und in ihrem Geist sehen, was die "Normalen" nicht können.

Pflege und Betreuung

Bei einer 24-Stunden-Rundumbetreuung schlafen die Betreuer mit dem Kranken in dessen Zimmer, sie schlafen auf dem Boden auf einer Matraze neben dem Bett des Kranken. Damit ist jederzeit gewährleistet, daß der Kranke immer eine Person zur Hilfe in der Nähe hat, die ihn davor bewahrt in einer unruhigen Schlafphase vielleicht durch das ziellose Wandern im Zimmer zu stürzen bzw. beim notwendigen Gang zur Toilette allein zu sein.

Gibt es Sprachprobleme bei der Pflege, denn die Pflegekräfte sprechen ja zumeist nicht die Sprache ihrer Patienten? Nach den Erfahrungen des Betreibers stellt die Sprache überhaupt keine Hürde dar, denn die Demenzkranken finden andere Kommunikationsformen, z.B. die Körpersprache. Bei einer Demenz oder Alzheimer treten verstärkt Ausdrucks- oder Sprachstörungen auf, so daß sich auch eine Artikulation in der Muttersprache zunehmend vermindert. Fehlende Sprachkenntnisse der Muttersprache des Kranken beim Pflegepersonals haben auch den nicht zu unterschätzenden Vorteil, daß die Betreuer negative Äußerungen seitens des Kranken nicht als gegen sie gerichtet werten, so wie es aber leider häufig bei muttersprachlichem Pflegepersonal der Fall ist.

Durch einen herzlichen, zärtlichen und körperlich nahen Kontakt mit den älteren und hilfsbedürftigen Menschen wird ein großes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Hinzu kommen spontane Massagen, die den Kranken helfen, und der generell vorhandene hohe Respekt vor den Älteren. Durch das gegenseitige Vertrauen wird das Selbstwertgefühl der Kranken erheblich gestärkt und der allgemeine Gesundsheitszustand deutlich gebessert. Die Kranken sind in das dörfliche Leben voll integriert, sie sind ein Teil der Dorfgemeinschaft. Spielende Kinder, die wie selbstverständlich mit den Kranken spielen, für die diese Schwerkranken jedoch zuerst ganz einfach Menschen, Mitbewohner und Freunde sind, vervollständigen dieses positive Bild.

Die ersten drei Essen des Tages (Frühstück, Mittagessen und Vesper) werden in der Regel, soweit gesundheitlich möglich, gemeinsam im Haupthaus eingenommen, auch um das Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken. Das letzte Essen das Tages (Abendessen) wird meist vom Betreuungspersonal in den Unterkünften angerichtet, wobei insbesondere auf vitaminhaltige Verpflegung (Früchte) und viel Flüssigkeitsaufnahme geachtet wird. Insbesondere die Zufuhr von Flüssigkeit ist für ältere Menschen generell immens wichtig, da bei diesen immer die Gefahr einer Austrocknung durch zuwenig Flüssigkeitszufuhr (Dehydration) besteht. Es werden sowohl europäische Speisen als auch thailändische Gerichte angeboten.

Fern der Heimat...

Eine sehr wichtige Frage betrifft gerade bei Demenzkranken das "Vermissen der Heimat", also konkret die Frage, ob denn diese Kranken in der fremden Umgebung ihre Angehörigen, ihre Bekannten oder ihre Heimat (Dorf, Stadt) vermissen? Entwurzelt man als Angehöriger mit einer Umsiedlung eines Demenzkranken diesen und begeht vielleicht sogar ein "Verbrechen" an diesem? Diese Frage kann hier eindeutig mit einem ganz klaren "Nein" beantwortet werden, denn nach den jahrelangen Erfahrungen der Betreiber und auch nach wissenschaftlichen Untersuchungen an Demenzkranken wird die Heimat geographisch überhaupt nicht vermisst. Die Kranken betrachten ihr neues Heim als einen "Ausflug" in eine neue Umgebung, der jetzige Maenam Ping in Chiang Mai ist jetzt ihr Rhein und ein Stausee in der Umgebung von Chiang Mai ist eben der Bodensee. Sie leben in ihrer Welt, die uns nicht zugänglich ist, es werden jedoch die noch vorhandenen Erinnerungen und die Lebensgeschichte nach Thailand mitgenommen. Da wird dann irgendein beliebiges offizielles Gebäude zu der Schule, die der Kranke in der Jugend besucht hat und ein Besuch in einem thailändischen Restaurant findet in der Wirklichkeit der Kranken in einer Wirtschaft in einem schweizerischen Kanton oder in einem deutschen Bundesland statt. Dieses Verhalten stört niemand in Thailand, niemand lacht über die komischen Vorstellungen oder Geschichten der Kranken, man lacht mit ihnen, wenn sie Scherze machen und gibt ihnen das Gefühl gebraucht zu werden und Teil einer humanen Gesellschaft zu sein!

Die Kosten der Pflege

Kommen wir zu den Kosten: Generell liegen die Kosten in einer thailändischen Pflegeeinrichtung um über 50% unter den Kosten in einer Pflegeeinrichtung in Deutschland! Hier ist es möglich für einen Pflegesatz von 1.600 bis 2.200 Euro im Monat eine sehr gute Pflege zu bekommen, eine gleich gute Pflege in Deutschland kostet 5.000 Euro. Eine diplomierte thailändische Krankenschwester bekommt für eine häusliche Pflege in Thailand zwischen 8.000 bis 15.000 BHT, eine Pflegerin verdient etwa umgerechnet 200 Euro im Monat. Nun werden sicherlich wieder irgendwelche Besserwisser einwenden, dies sei ja Ausbeutung, aber man kann eben nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Natürlich sind die Lohnkosten in Thailand geringer, das Pflegepersonal wird jedoch für Thai-Verhältnisse gut bezahlt und es ist froh, einen guten Arbeitsplatz zu haben. Die Hauptsache sind jedoch m.E. die Schwerkranken, sie werden für einen vernünftigen Preis optimal betreut und nur darum geht es!

Dr. Volker Wangemann

Es seien noch einige Betreuungseinrichtungen zum Abschluss des Artikels genannt. Ohne jede Wertung:

Ban Kamlangchay (www.alzheimerthailand.com/AlzheimerThailand/Index.asp)

Natural Park Resort in der Jomtien Beach-Road Banglamung (Aufnahme bis Pflegestufe III), Kontakt über www.naturpark-reisen.com/pflege

Baan Lelavadee, Kontakt über www.thailandpflege.com

Senioren-Residenz Abendsonne 43/28 Moo 4 Tambon Ta Khian Tia Banglamung 20150 Chonburi, Kontakt über www.besser-leben-als-in-deutschland.info/kontakt.php

Zum Schluss noch einige Hinweise zu Sendungen im TV zum Thema sowie ein empfehlenswertes Buch darüber:

1) Frau Woodtli - Der Lauf des Lebens - erhältlich über www.headfilm.ch/index/dvd-mensch
2) Pflege unter Palmen ARD-Weltspiegel-Reportage vom 09.08.2004
3) Münsingen liegt in Thailand Reporter Spezial SF 1 vom 09.07.2005
4) Aufgehoben - nicht abgeschoben, Zeitungsartikel in Swissinfo vom 15.12.2005
5) Thais pflegen Schweizer/Ein Heim für Demenzkranke, in: DER FARANG Nr. 17/August 2004
6) BUCH: Holger Jenrich, Altenpflege International, Entwicklungen in der außereuropäischen Altenhilfe, Mabuse-Verlag 2008, ISBN 978-3-940529-04-6

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